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Kampf um Syrien II

Text-Hinweis: german foreign policy am 15.02.2016  |

Enge Verbündete Deutschlands torpedieren die Münchner Einigung von Ende vergangener Woche auf die Einstellung der Kampfhandlungen in Syrien. Die Türkei hat Angriffe auf syrisches Territorium gestartet und will kurdische Truppen zum Abzug von einem Luftwaffenstützpunkt nahe Aleppo zwingen. Davon profitieren würde der Al Qaida-Ableger Al Nusra, der die Airbase zuvor gehalten hatte. Zudem kündigt Saudi-Arabien die Entsendung von Bodentruppen nach Syrien an. Damit steigt die Gefahr einer Kriegseskalation mit Kämpfen zwischen Saudi-Arabien und dem NATO-Mitglied Türkei auf der einen, den syrischen Streitkräften und Russland auf der anderen Seite. Die Folgen wären unkalkulierbar. Berlin, das sowohl die Türkei wie auch Saudi-Arabien massiv aufgerüstet hat, ermöglicht die Entsendung von AWACS-Flugzeugen in den Syrien-Krieg, nimmt ansonsten aber bereits die Zeit nach einem Ende der Kampfhandlungen in den Blick. Dabei sollen Flüchtlinge helfen, deutsche Einflusskanäle nach Syrien auszubauen. Auch im Irak setzt die Bundesregierung auf Einflussgewinne per Wiederaufbau – nach dem Muster des einstigen Marshallplans. Deutsche Militärs urteilen unterdessen, lediglich die russische Intervention in Syrien habe die Übernahme der Macht in Damaskus durch den IS/Daesh und folgende Angriffe auf weitere Staaten, darunter Israel, verhindert.

Die Türkei greift an

Nach der Unterzeichnung der „Münchner Verpflichtung“ im unmittelbaren Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz, die die Einstellung der Kampfhandlungen in Syrien binnen weniger Tage vorsah, torpedieren enge Verbündete Deutschlands die Hoffnung auf einen Waffenstillstand. An diesem Wochenende hat die Türkei systematische militärische Angriffe auf syrisches Territorium gestartet. Ziel ist es unter anderem, kurdische Truppen zum Rückzug von der Airbase Menagh bei Aleppo zu zwingen. Die Einheiten hatten den Luftwaffenstützpunkt erst vor wenigen Tagen freigekämpft. Müssten sie abziehen, profitierte der Al Qaida-Ableger Al Nusra, der den Stützpunkt zuvor gemeinsam mit der Miliz Ahrar al Sham gehalten hatte. Ahrar al Sham ist salafistisch-jihadistisch orientiert und wird von der deutschen Bundesanwaltschaft als Terrororganisation eingestuft.[1] Mit den türkischen Angriffen wächst die Gefahr einer offenen Kollision und einer möglichen Kriegseskalation zwischen dem NATO-Verbündeten und Russland ein weiteres Stück.

Saudi-Arabien interveniert

Darüber hinaus stellen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Entsendung von Bodentruppen in Aussicht. Laut jüngsten Äußerungen sollen sie dazu beitragen, den IS/Daesh aus seiner Hauptstadt Raqqa zu vertreiben – ein Gedanke, der aus Riad bislang noch nie geäußert worden ist. Die Ankündigung erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem die syrischen Regierungstruppen ihren Vormarsch auf Raqqa einleiten und sich Hoffnungen machen, die Stadt zurückzuerobern. Kämen ihnen saudische Einheiten gemeinsam mit verbündeten syrischen Milizen zuvor, ließe sich auch hier eine Eskalation – in diesem Fall hin zu einem offenen syrisch-saudischen Krieg – nicht ausschließen. Saudi-Arabien hat im vergangenen Jahr bereits den Jemen überfallen, um dort Riad nahestehende Kräfte wieder an die Macht zu bringen. Dabei nutzt es nicht zuletzt deutsche Waffen, die ihm auch für etwaige Kämpfe in Syrien zur Verfügung stünden.[2]

Indirekte Kriegsunterstützung

Die Bundesrepublik wird ihrerseits – jenseits ihrer bisherigen unmittelbaren Kriegsbeteiligung [3] – in Kürze ihre indirekte Kriegsunterstützung ausweiten. Zwar haben die NATO-Verteidigungsminister in der vergangenen Woche den Vorschlag abgelehnt, die AWACS-Flugzeuge des Kriegsbündnisses, die in Geilenkirchen bei Aachen stationiert sind und deren Besatzung zu ungefähr einem Drittel von der Bundeswehr gestellt wird, direkt über dem syrischen Kriegsgebiet einzusetzen. In der sogenannten Koalition gegen den IS/Daesh gab es von Anfang an massive Widerstände gegen eine förmliche Einbindung der NATO, weil die arabischen Mitglieder der Kriegskoalition davon einen irreparablen Imageschaden befürchten. Die Geilenkirchener AWACS-Flugzeuge werden nun voraussichtlich in ein anderes Land entsandt, das dieselben Flieger besitzt; sie sollen dort den nationalen Bestand ersetzen, damit dieser nach Syrien entsandt werden kann. Experten deuten auf Großbritannien.
Der gesamte Text steht hier: Kampf um Syrien II